Ich will Dir noch was dazu schreiben, wie überhaupt alle Loslöseprozesse
bei mir passierten. Und mir ist wichtig, dass das klar ist, dass es keine Entschuldigung ist.
Das Auflösen passierte, als ich begreifen konnte, dass ein Täter selbst mal Opfer war und sein Tun nur Ausdruck seiner eigenen ungelösten Probleme war. Dadurch hörte die Macht auf, die er auf mich ausübte, er wurde seiner Macht und dieser Übergröße beraubt, von der ich unbewusst ja immer noch ausging, weil er die Tat einst tun konnte und sein Einfluss noch wirksam war auf meine Seele.
Das war aber kein schneller und "ach, ich probier das einfach mal so"-Schritt. Es war der letzte Schritt, dem andere vorausgingen.
Ebenso lief das bei Fehlverhalten meiner Eltern.
Alle Machtmissbraucher, die statt Schutz zu geben, an zu schützenden Wesen schlecht handeln, sind irgendwo innerlich klein, verletzt und wissen sich selbst nicht zu helfen. Und ich leite daraus ab, dass sie selbst mal Opfer waren, als sie schutzbedürftig waren. Für mich war es wichtig, das zu sehen, weil sie dadurch ihre Macht verloren. Es war damit auch keine Tat mehr, die auf mich zugeschnitten war, weil ich so war, wie ich war, oder irgendwas provoziert hätte, verdient hätte. Das war wichtig wegen der Schuldgefühle. "Sich schuldig fühlen" als Opfer, das habe ich lange nicht verstanden, weil natürlich der Täter Schuld hat. Emotional gesehen half das aber nicht. Die Frage war "warum passierte mir das". Die Antwort ist: Es lag nicht an mir, auch vom Schicksalsaspekt her nicht. Es war teils blöder Zufall und teils eben, dass die Menschen, die Einfluss auf mich hatten, selbst nicht aufwachsen konnten, wie ein Kind aufwachsen sollte. Ich musste drunter leiden, aber nicht, weil ich dazu einen Grund gegeben hätte.
Die ganz andere Frage ist auch noch die nach der Strafbarkeit, aber darum ging es mir hier nicht. Das ist ja gar keine Frage.
Eine Horrorbeziehung habe ich auch gehabt mit Anfang 20. Keine Grenzen setzen können, öffnet die Tore für weitere Machtmissbraucher. Ein Kind, das destruktives Verhalten der Eltern aushalten musste, muss als Erwachsener erstmal auch lernen, dass es sich entfernen kann von destruktiven Menschen oder aus schlechten Situationen. Und zwar gleich, wenn sich zeigt, dass der andere so tickt. Ich glaube, damit haben viele zu tun: Sie halten auch spätere schlechte Situationen aus, als wären sie immer noch machtlos.
Void - und Dianthus - verständlich?
Ja, und vielen Dank, dass Du das so ausführlich geschrieben hast.
Zurückblickend ist es schon ärgerlich, was für Möglichkeiten ich liegen lassen musste/wollte, um erstmal seelisch auszuheilen.
Ja, kenne ich auch, dieses Gefühl. Gerade nach der Auflösung des Traumas und generell dann in der Midlifecrisis kam das extrem hoch als Thema.